Selbstwert und Beziehung

Selbstwert und Beziehung

Es gibt zahlreiche Berichte von Klienten, die ihren Selbstwert stark von ihren Beziehungen zu anderen Menschen, insbesondere zu romantischen Partnern, abhängig machen. Dieses Phänomen ist nicht nur weit verbreitet, sondern kann auch tiefgreifende emotionale und psychologische Folgen haben.
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Definition des Selbstwerts

Der Selbstwert beschreibt das individuelle Gefühl der eigenen Wertigkeit und ist ein zentrales Element des psychischen Wohlbefindens. Ein gesunder Selbstwert erlaubt es Menschen, sich selbst zu akzeptieren und zu schätzen, unabhängig von äußeren Bestätigungen. Klienten, die ihren Selbstwert primär über ihre Beziehung zum Partner definieren, zeigen häufig eine instabile Selbstwahrnehmung und ein mangelndes inneres Gleichgewicht.
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Beziehung als Spiegel des Selbstwerts

Die Beziehung zu einem Partner wird in vielen Fällen zum Hauptreferenzrahmen für das eigene Wertgefühl. Diese Klienten neigen dazu, ihre Identität und ihren Selbstwert in der Beziehung zu verankern. Sie stellen die Bedürfnisse des Partners oft über die eigenen, was zu einem starken Verlust der Selbstidentität führen kann. Diese Dynamik ist häufig das Ergebnis einer unzureichenden Beziehung zu sich selbst, die in der Kindheit oder in vergangenen Erfahrungen verwurzelt sein kann.
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Potenzielle Beziehungspartner und Beziehungsarten

Klienten, die ihren Selbstwert aus Beziehungen ziehen, sind häufig bereit, Beziehungen zu verschiedenen Arten von Menschen einzugehen, und die Qualität der Beziehung kann stark variieren:

Kümmerer: Personen, die emotional stabiler erscheinen und ein starkes Bedürfnis haben, sich um andere zu kümmern. Klienten fühlen sich oft zu diesen Partnern hingezogen, da sie glauben, durch deren Stabilität selbst Sicherheit zu gewinnen. Diese Beziehung kann oft symbiotisch sein, wobei beide Partner sich gegenseitig in ihren emotionalen Bedürfnissen unterstützen, jedoch auf Kosten der individuellen Selbstständigkeit.

Dominante Persönlichkeiten: Menschen, die in der Beziehung die Kontrolle übernehmen und Entscheidungen treffen. Klienten könnten sich in solchen Dynamiken verlieren, indem sie ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurückstellen. Dies führt häufig zu einer Kampfbeziehung, in der Machtkämpfe und emotionale Konflikte vorherrschen. Der Klient könnte sich unzulänglich fühlen und gleichzeitig den Drang verspüren, zu kämpfen, um die Beziehung zu erhalten.

Emotionale Bedürftige: Partner, die selbst tiefere emotionale Probleme haben und die Unterstützung und Bestätigung von anderen suchen. Diese Beziehungen können zu einem teuflischen Kreislauf führen, in dem beide Partner versuchen, ihre Unsicherheiten gegenseitig zu kompensieren. In diesem Fall ist die Beziehung oft von Abhängigkeit geprägt, wobei beide Partner in einem emotionalen Ungleichgewicht gefangen sind.

Idealpartner: Personen, die als „perfekt“ wahrgenommen werden, was Klienten dazu verleitet, sich selbst zu verleugnen oder zu minimieren, um die Beziehung aufrechtzuerhalten und den Partner nicht zu verlieren. Diese Beziehung kann als Beziehung auf Augenhöhe wahrgenommen werden, doch oft beruht sie auf einer verzerrten Wahrnehmung, bei der der Klient seine eigenen Bedürfnisse opfert.

Rettungsbeziehungen: Klienten suchen oft nach Partnern, die in einer schwierigen Lebenssituation sind, um sich in der Rolle des Retters zu sehen. Diese Beziehungen sind häufig von einer rettenden Dynamik geprägt, in der der Klient die Verantwortung für das emotionale Wohlbefinden des Partners übernimmt und dabei die eigenen Bedürfnisse ignoriert.
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Psychologische Mechanismen

Abhängigkeit: Die emotionale Abhängigkeit von einem Partner kann zu einem tiefen Leiden führen. Klienten glauben, nur durch die Beziehung glücklich sein zu können, was sie in eine Position der Vulnerabilität bringt. Diese Abhängigkeit kann die Angst vor dem Verlust des Partners verstärken.

Verlust der Identität: Trennungen oder Konflikte in der Beziehung führen häufig zu einem identitätsstiftenden Verlust. Klienten berichten oft, dass sie nach einer Trennung nicht nur den Partner, sondern auch sich selbst verlieren. Diese Erfahrung kann zu einer tiefen Krise führen, die das Selbstwertgefühl weiter untergräbt.

Kompensatorisches Verhalten: In vielen Fällen kompensieren Klienten ihren mangelnden Selbstwert durch übermäßige Fürsorge und Selbstaufopferung in der Beziehung. Dies kann kurzfristig als Erfolgserlebnis wahrgenommen werden, führt jedoch langfristig zu einem Ungleichgewicht und zu weiteren emotionalen Schwierigkeiten.
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Therapeutische Ansätze

Um Klienten zu helfen, die in dieser Abhängigkeit gefangen sind, ist eine integrierte therapeutische Herangehensweise notwendig:

Selbstwertarbeit: Therapeuten sollten die Klienten dazu anleiten, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln, das nicht von externen Faktoren abhängt. Übungen zur Selbstakzeptanz und Selbstliebe sind entscheidend.

Beziehung zu sich selbst: Klienten müssen lernen, eine positive Beziehung zu sich selbst aufzubauen. Dies kann durch Achtsamkeitspraktiken, Journaling und Reflexion über persönliche Werte geschehen.

Grenzen setzen: Klienten sollten ermutigt werden, gesunde Grenzen in ihren Beziehungen zu setzen. Dies hilft, die eigene Identität zu wahren und die emotionale Abhängigkeit zu verringern.
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Fazit

Das Leiden von Klienten, die ihren Selbstwert durch Beziehungen definieren, ist ein komplexes und herausforderndes Thema. Die psychotherapeutische Arbeit sollte darauf abzielen, das Bewusstsein für die eigene Identität und den eigenen Wert zu fördern, um langfristig eine gesunde Beziehungsdynamik zu ermöglichen. Nur so kann der Kreislauf von Abhängigkeit und Verlust durchbrochen werden, und Klienten können lernen, sowohl in Beziehungen als auch in sich selbst Zufriedenheit und Glück zu finden.
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Christoph Röthlein
Heilpraktiker für Psychotherapie
Goethestraße 3, 64807 Dieburg
0176 46148134
www.psychotherapie-roethlein.de